Susi Menzel


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Das Weihnachtsessen

Eine Weihnachtsgeschichte von Susi Menzel

Hier gibt es die Geschichte zum Anhören auf YouTube:



--- Weiter unten auf dieser Seite gibt es die Geschichte zum Lesen und Fotos ---

Es war einmal auf einer Geburtstagsfeier im Herbst 1990

„Dann kommt doch Heiligabend zu uns.“

Dieser Aussage meiner Mutter folgte Schweigen.

Danach gab es Gesichtsmimik der unterschiedlichster Art. Mein Vater bekam große Augen, seine Stirn runzelte sich gewaltig nach oben. Ich unterdrückte mühsam mein lautes „Nein!“, indem ich meine Lippen zusammenpresste. Maries Augen spiegelten eine Mischung aus Erstaunen, Erleichterung, Hoffnung und Dankbarkeit wider. Meine Mutter, überrascht über sich selber, biss sich so unauffällig wie möglich auf die Unterlippe, ihre Augen flehten um ein „Nein, Danke“ der Eingeladenen. Die übrigen Gäste der kleinen Geburtstagsfeier hielten den Atem an. Aller Augen richteten sich auf Meta.








Weihnachtsbaum mit Schmuck

Die war 95 Jahre alt, die Mutter von Maries kürzlich verstorbenem Ehemann, wohnte im Obergeschoss des Hauses, war besserwisserisch, seit Jahrzehnten kränklich und meistens schwerhörig. Aber eben nur meistens.
„Oh ja! Ich komme!“, krähte sie schrill, „Dann krieg ich wenigstens nicht immer diese grässlichen Rouladen, sondern endlich mal Ente, nicht wahr, Käthe?“
Sie sagte das mit diesem sarkastisch vorwurfsvollen Unterton, den herrische Menschen an sich haben, wenn sie spüren, dass sie die Menschen in ihrer Nähe damit zur Weißglut treiben können.
Marie, durch jahrzehntelange Lehrertätigkeit in Geduld geübt, rang um Fassung, denn Rouladen würde es für die geladenen Gäste gleich als Hauptgang geben.
Meine Mutter wurde kreideweiß, denn jeder in der Familie, auch Meta, wusste, dass sie eine tolle Köchin war, aber Ente nicht zu ihren Stärken gehörte. Mein Vater stand ihr bei: „Es gibt Kalbsbraten und ich mache Kartoffelklöße.“
„Ich esse keine Klöße!“ Meta schrie es heraus. „Ich will aber Klöße! Das gehört doch zu Weihnachten dazu“, entfuhr es mir genauso laut und genauso entrüstet.
Die Gesichtsfarbe meiner Mutter verfärbte sich langsam zu Puterrot, wohingegen die meines Vaters zu einem Grau mutierte, das normalerweise auf schwere Krankheiten schließen ließ. Maries Mund stand in ihrem versteinerten Gesicht immer noch offen, während die übrigen Gäste tief Luft holten und gespannt auf die nächsten Reaktionen warteten.
Man sah ihnen die Erleichterung an, dass sie selber nicht betroffen, sondern nur Zuschauer waren. Irgendjemand sagte besänftigend: „Bis Weihnachten ist es ja noch ein bisschen hin.“
Marie war zwischenzeitlich in die Küche geflohen. Es war Zeit für den Hauptgang. Schweißgebadet tischte sie ihre Rouladen auf.
Während sich die Gäste nur zögerlich an das Fleisch wagten, aß Meta drei ganze Rollen auf.
Auf dem Nachhauseweg verteidigte meine Mutter ihre Einladung damit, dass Cousine Marie das erste Weihnachtsfest ohne ihren Mann feiern müsste. Und Marie, die nie klagte, hatte sie gefragt, wie sie das bevorstehende Weihnachtsfest mit ihrer nörgelnden Schwiegermutter überstehen sollte.
Mürrisch gaben wir Mutter recht. Unter diesen Umständen war es Ehrensache, Marie in der schweren Zeit beizustehen.

Schließlich war der Morgen des Heiligabends da. Die Gäste sollten so gegen 16 Uhr kommen, damit man vor dem Essen gegen 17 Uhr noch ein paar Worte reden konnte. Über was war niemandem klar, aber Meta würde schon vor sich hinbrabbeln. Vermutlich von Krankheiten, die sie seit Jahrzehnten zuhauf hatte.
Die Ärzte hatten selten etwas für ihre Gesundheit Bedenkliches gefunden, aber sie wusste jeden harmlosen Schnupfen auszunutzen, um ihr Umfeld für sich arbeiten zu lassen, da sie ja soo krank war.
Eigentlich wussten das alle, und doch fand sie immer wieder Menschen, denen sie genug Mitleid abringen konnte, sodass sie ihr eine kurze Weile lang halfen. Das dauerte jedoch nie sehr lange.
Aufgrund dessen, dass Meta so viel in der ihr eigenen Version in der Gemeinde herumerzählte, wollte meine Mutter natürlich ein besonders perfektes Weihnachtsfest ausrichten. Schließlich wollte sie nicht in einem schlechten Licht dastehen. Deshalb musste der Weihnachtsbaum besonders groß ausfallen und viel üppiger geschmückt werden, als es sonst bei uns üblich war.
Der Esstisch wurde ausgezogen und noch sorgfältiger gedeckt als sonst. Ich fand es nicht so schön, weil es zwar perfekt, aber eben auch sehr steif war. Wir hätten es lieber feierlich gemütlich gehabt, aber was tat man nicht alles für die Familie!?!

Und bei diesem riesigen Aufwand, den meine Mutter bewerkstelligt hatte, könnte selbst Meta nicht meckern.

Mutti ging in die Küche, um trotz heftiger Bedenken eine Ente für den Backofen vorzubereiten. Vati und ich wurden nach draußen geschickt, um noch einmal den Eingang und den Hof zu fegen. Meta sollte keinen Grund für Beanstandungen irgendwelcher Art finden, von denen sie allen erreichbaren Bekannten brühwarm zu erzählen pflegte.

Es war kalt draußen und wir waren bis über beide Ohren eingemummelt. Trotzdem hörten wir den Entsetzensschrei meiner Mutter: „Neeeiiiin! Mausi nicht!“
Wir spurteten durch die angelehnte Haustür in das Wohnzimmer, aber da war es schon zu spät. Katze Mausi hatte sich gefreut, dass es nun auch im Haus einen erhöhten Sitzplatz für sie gab und war auf die Tanne gesprungen. Die kippte nach hinten an die Wand. Mausi reagierte panisch, denn so etwas machten Bäume normalerweise nicht.
Sie wollte wieder herunterspringen, verhedderte sich jedoch im Lametta. Dennoch setzte sie zum rettenden Sprung auf den Fußboden an, blieb aber in einer Girlande hängen. Eine Kugel schaukelte dadurch heftig hin und her und traf Mausi schließlich mitten auf die Nase. Eine Zehntelsekunde war Totenstille, dann schrie Mausi auf und stieß sich so kräftig ab, dass sie den Baum an der Girlande mit sich zog. Der schwankte. Wir waren zu langsam. Er fiel krachend zu Boden. Mausi flüchtete kreischend unter das Sofa, silbernes Lametta hinter sich her ziehend.

Katze springt an Weihnachtsbaum
Vati war der erste, der sich wieder bewegen konnte. Er stellte den Baum auf. Das Wasser des Ständers hatte sich über den Teppich ergossen, einige Kugeln waren gesplittert, die Kerzen waren aus den Haltern gefallen, ein Ast war abgebrochen.
Niemand sagte etwas, bis uns das Klingeln des Telefons aus der Starre befreite. Marie ließ uns wissen, dass sie sich etwa eine Stunde verspäten würden, da Meta in ihrem Alter nicht mehr so schnell sei.
Erleichtert nutzten wir die geschenkte Zeit dafür, den Weihnachtsbaum wieder herzurichten. Vati klebte den abgebrochenen Ast an und nagelte ihn vorsichtshalber auch noch am Stamm fest. Der Baum selber wurde an der Wand festgebunden. Der Teppich wurde trocken geföhnt. Im Dekorieren waren wir ein eingespieltes Team und so sah der Baum schon nach einer halben Stunde wieder vorzeigbar aus.
Zufrieden betrachteten wir unser Schmuckstück, stolz darauf, dass wir diese prekäre Situation als Familie so gut gelöst hatten. Nun konnte Mutti in Ruhe das Essen machen.
Aus den Augenwinkeln sah ich Mausi in der Küchentür sitzen. Sie leckte sich das Mäulchen.
„Mausi muss raus“, sagte mein Vater, griff das überraschte Tier und schob es aus der Haustür heraus.
Gerade als er die Tür wieder geschlossen hatte, hörten wir Mutters Schrei, der den Vorherigen um viele Dezibel übertraf: „NEEEEIIIIINNN!!!“
Wir stürzten in die Küche und sahen die Bescherung.
Die Ente lag auf dem Fußboden, eine Keule war angefressen, die Knochen von einem Flügel lagen vor dem Herd, zerfetztes Fleisch war überall.
Mutti hatte in der ganzen Aufregung um den Baum die Ente offen auf dem Küchentisch liegengelassen, was Katze Mausi schamlos ausgenutzt hatte.
Nun hieß es noch einmal heftig zu improvisieren. Mutti und ich entsorgten die Ente, wischten die Küche, schälten Kartoffeln und schnippelten das Gemüse, währenddessen Vati losfuhr, um neues Fleisch zu besorgen.
Kurz vor Ladenschluss hatte er noch an die Fleischtheke hechten können, die, wie an Heiligabend nicht anders zu erwarten, leer gefegt war.
Der Schlachter konnte ihm nur noch ein paar Rouladen anbieten …

Schöne Weihnachten wünscht Susi Menzel

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Katze am Weihnachtsbaum Weihnachtsbaum mit Schmuck

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